Was bedeutet es, Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen?
Bürger:innenbeteiligung ist gelebte Demokratie. Echte Bürger:innenbeteiligung heißt: echt zuzuhören. Es bedeutet, einen respektvollen Dialog zu führen. Es heißt, auch ungewöhnlichen Ideen und Sichtweisen Raum zu geben, sie verstehen zu wollen und gemeinsam kreativ Neues zu entwickeln. Das ist etwas grundsätzlich anderes, als Bürger:innen nur zu informieren über bereits Beschlossenes oder als Fragen zu beantworten.
Wir sollten das Wissen aller nutzen. Engagierte Bürger:innen haben sich in manche Themen viel tiefer eingearbeitet als wir Kommunalpolitiker:innen.
Warum fällt das so schwer?
Wovor schrecken wir zurück? Vor der Konfrontation mit unserer eigenen Unzulänglichkeit? Dass Vorschläge Raum finden, die wir nicht umsetzen wollen? Oder glauben wir wirklich, wir könnten ohne die Zusammenarbeit mit den Menschen – die uns gewählt oder uns nicht gewählt haben – gute Politik für das Gemeinwohl machen? Wissen wir alles besser? Woher? Ganz sicher entwickeln wir die besseren Konzepte gemeinsam.
Die Zukunft braucht uns alle!
Alle, und gerade die, die anderes denken als „das Übliche“, können einen wichtigen Beitrag leisten für die strategische Entwicklung unserer Insel. Sylt braucht alle, die sich engagieren wollen und die sich „engagieren lassen“, denn nur im Gespräch entstehen tragfähige Lösungen für die drängenden Zukunftsfragen, die dann auch von vielen getragen werden. Die haben wir in den politischen Gremien anschließend weiter zu bedenken. Entscheiden müssen am Ende die Gemeindevertretungen.
Wir brauchen Raum für Gespräche
Die Tagesordnungen unserer Ausschüsse und Sitzungen der Gemeindevertretungen sind für einen solchen Austausch denkbar schlecht geeignet. Nicht mal untereinander schaffen Politiker:innen es, in diesen Sitzungen wirklich neu zu denken. Noch weniger geeignet für kreative Dialoge sind Einwohnerfragestunden. Es ist verständlich, dass nicht viele Menschen die Rolle der Zuschauer:in attraktiv finden – weil Gespräche eben gar nicht möglich sind.
Aufmerksam sein und gemeinsam lernen!
Wie eine wirkliche Beteiligung von Bürger:innen geht, müssen wir alle erst mal lernen. Politik, Verwaltung und Einwohner:innen. Ein Bürgerrat ist eine Möglichkeit, aber es gibt auch andere. Workshops, Beiräte, Barcamps, Ideenwerkstätten. Entscheidend ist die Haltung der Gesprächsbereitschaft. Wir sollten es ausprobieren und aus Erfahrungen lernen, und wir müssen Geduld mitbringen. Dafür kämpfen wir in List, seitdem wir in die Gemeindevertretung hinein gewählt worden sind. Eine Gesprächskultur entsteht nicht von heute auf morgen.
Bürger:innenbeteiligung ist gelebte Demokratie. Ja: das braucht Zeit und Aufmerksamkeit. Aber wir sollten versuchen, auch die Menschen anzusprechen, die sich sonst nicht äußern und deren Lebenswirklichkeit wir gar nicht kennen. Und diejenigen zurück holen ins Gespräch, die enttäuscht aufgegeben haben, weil sie nicht gehört worden sind. Lasst uns aktiv werden gegen Politikverdrossenheit, lasst uns Demokratie wieder lebendig machen.
Wir brauchen Mut für Experimente – die werden uns auch selbst beleben. Weitere Infos über Qualitätskriterien hier beim Netzwerk für Bürgerbeteiligung.
Margot Böhm, Gemeindevertretin in List für die Lister Grünen