Gestalten statt reagieren: wie schaffen wir die Immobilienwende?

Die Dünenkrönung

Vieles ist vertrackt und der stetigen Aufwärtsspirale der Nachfrage nach Grundstücken und damit der Bodenpreise auf Sylt geschuldet (die Zusammenhänge sind in folgender Bildergeschichte erklärt). Um so tragischer, dass sich die Kommunalpolitik an all die Marktmechanismen gewöhnt hat und vor diesen resigniert. Aber das ist kein Schicksal, das geht anders.

Noch halten wir das Streben nach Höchstrendite für die Weltordnung: der Großteil des Baulandes ist wie selbstverständlich in der Hand von Investoren, die das maximal Mögliche aus einer Fläche heraus schlagen wollen. Nur in sehr wenigen speziell ausgewiesenen Gegenden kämpfen Gemeindevertretungen noch für bezahlbaren und bedarfsgerechten Dauerwohnraum, obwohl dieser dringendst benötigt wird (ALP-Studie 2020). Wohnungen in Wattnähe für die arbeitende Bevölkerung halten wir unhinterfragt für undenkbar (ein Großparkplatz mit Meerblick dagegen erscheint uns völlig okay). Aber Eigentum verpflichtet – auch auf Sylt.

Am 27.5. steht in List der Entwurfs- und Auslegungsbeschluss des nächsten Bebauungsplans auf der Tagesordnung. Es handelt sich um ein riesiges Areal an der südlichen Seite der Hafenstraße, ein ehemaliges Bundeswehrgelände, das durch die Investoren bereits im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts erworben wurde. Damals waren die Bodenpreise noch wesentlich günstiger als heute. Die dort stehenden Bauten werden derzeit als Lager und als Personalwohnungen genutzt.

Die Investoren möchten nun in 6 Häusern mit Meerblickhöhe 64 Ferienwohnungen und 20 Luxus-Dauerwohnungen errichten. Um das zu ermöglichen, wird ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erstellt. Ohne den könnte – wenn überhaupt – nur zweigeschossig gebaut werden, nämlich nur so, wie es sich in die Umgebung einfügt. Und auch das nur dann, wenn es sich tatsächlich um ein sogenanntes 34er-Gebiet handeln würde (§ 34 BauGB). Der Kreis Nordfriesland behauptet dies, ohne es jedoch letztendlich zu begründen. Laut unserer Recherchen spricht einiges dagegen.

Gegen diesen Bebauungsplan spricht auch, dass es bereits seit 20 Jahren keine neuen Feriensiedlungen (mit 40 Ferienwohnungen und mehr) ohne Zielabweichungsverfahren (ZAV) auf Sylt mehr geben soll, da schon damals die Belastungsgrenze als erreicht betrachtet wurde. Für das Großbauprojekt Dünenpark wurde soeben durch das Innenministerium des Landes (Landesplanung) ein ZAV genehmigt mit der Auflage, dass die Gemeinde ein Konzept zur Reduzierung des Autoverkehrs zu entwickeln hat und das auch insular diskutieren soll. Bei den Plänen zur Dünenkrone spielt der zusätzlich ausgelöste Verkehr überhaupt keine Rolle. Die Insel verträgt den Verkehr aus Sicht der Betroffenen schon jetzt nicht mehr – das hat die Einwohner:innen-Befragung der SMG im November 2020 eindeutig ergeben.

Der Kreis Nordfriesland setzt den Biotopschutz aus wegen eines „öffentlichen Interesses“ an Dauerwohnungen, die jedoch ausgewiesenermaßen Luxuswohnungen im Hochpreissegment sein werden. Aus unserer Sicht liegt das wohl eher im Interesse des Investors als in dem der Öffentlichkeit. Wir haben genug Wohnungen in List, die sich die normal arbeitende Bevölkerung niemals wird leisten können. Im Dünenpark entstehen demnächst mindestens 150 weitere.

Wie kommt es zu diesem Bebauungsplan?

Bebauungspläne liegen in der Gestaltungshoheit der Gemeinden. In List jedoch scheinen einige B-Pläne vor allem zwischen Investoren und Landesplanung ausgehandelt zu werden, unter Mitwirkung des Kreises Nordfriesland und vielleicht noch des Bürgermeisters. Wenn der Entwurf im Bauausschuss und der Gemeindevertretung ankommt, ist er bereits fertig und wird als optimal verkauft. Was passiert dann? Die Kommunalpolitik stimmt resigniert zu. Gestaltung geht anders.

Was muss sich schleunigst ändern?

1. Die „Gemeinde“ (wer ist das eigentlich?) muss wirklich etwas wollen. Klar sein in der Bestrebung, bezahlbaren und bedarfsgerechten Dauerwohnraum zu schaffen und bisherigen Dauerwohnraum zu sichern. Wir müssen Ziele diskutieren und Maßnahmen entwickeln, mit denen sie erreicht werden können und festlegen, was zu vermeiden ist. Defakto wird ja auch bei diesem Projekt bezahlbarer Dauerwohnraum durch Ferien- und Luxuswohnungen ersetzt. Die Gemeinde muss ihre Hoheit bei der Gestaltung von Bebauungsplänen nutzen.

2. Die Gemeinde muss sämtliche Noch-34er-Gebiete im Sinne der Interessen der Einwohner:innen überplanen statt zu warten, bis der nächste Investor auf Baurecht pocht und man dann wieder mit dem Rücken zur Wand zu stehen glaubt. Das ist gut angelegtes Geld. Dazu brauchen wir Beratung von externen, kompetenten und engagierten Fachleuten, die im Sinne der Gemeinde und zukünftiger Generationen (GO §1,1) nach kreativen Lösungen suchen, uns Alternativen aufzeigen und uns erklären, an welchen Stellen wir was einfordern können.

3. Die Gemeinde muss Aussagen von anderen Stellen (z.B. von Seiten des Kreises Nordfriesland oder der Landesplanung) konsequent hinterfragen. Die gesamte Argumentation der Bauleitplanung „Dünenkrone“ beruht auf der Behauptung, es handle sich um 34-er Gebiet (der Investor könne ja sowieso bauen wie er will, heißt es, nur nicht so hoch, also darf man nicht so viel fordern). Wenn in diesem Fall der §34 BauGB nicht greifen würde (es sich also z.B. aufgrund der Größe und Lage und Entstehungsgeschichte nicht um ein Gebiet der Innen-, sondern der Außenentwicklung handeln würde, wie eigentlich bei ehemaligen Militärgeländen üblich), bestünde derzeit gar kein Baurecht. Die Gemeinde hätte eine ganz andere Verhandlungsbasis. Auch die Dünen des Lanserhofs waren als 34er-Gebiet deklariert worden. Das und die Erteilung von Baugenehmigungen auf dieser Basis hätte einer rechtlichen Überprüfung vermutlich nicht standgehalten. (Unsere Anfragen in Sachen Bauleitplanung Lanserhof an den Kreis Nordfriesland und die Antworten findet Ihr hier).

4. Wir dürfen uns auch von Investoren nicht an der Nase herumführen lassen. Bauen für bezahlbaren Dauerwohnraum ist nicht teurer als Bauen für Luxuswohnungen. Teuer sind die Tiefgaragen. Unterschiede finden sich in der erzielbaren Rendite.

5. Die Gemeinde muss ihre eigene Klimaschutzresolution von 2014 ernst nehmen und endlich Ziele und Konzeptionen nachjustieren – transparent und unter Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner. Endlich das Verkehrskonzept anpacken, obwohl die Landesplanung den Flächennutzungsplan für den Dünenpark entgegen ihrer eigenen Ankündigung auch ohne das bereits genehmigt hat. Zusammenhänge betrachten (z.B. den zwischen dem Stau in Kampen, dem für die Parkenden kostenfreien Großparkplatz am Hafen und den Buspreisen) – und wirksame Maßnahmen diskutieren. Bedenken dass alles, was wir z.B. über Baupläne ermöglichen, Gleichbehandlungsansprüche auslöst. Ein Konzept für klimaneutrales Heizen entwickeln, das für Mieter:innen bezahlbar ist.

6. Wir brauchen klare baupolitische Grundsätze wie z.B. in Schenefeld oder in Münster. Die Stadt Münster hat Beschlüsse gefasst zur sozialgerechten Bodennutzung und schafft nur dann Baurecht, wenn sie Mitbesitzerin der Fläche wird. So geht Gestaltung.

7. Wir brauchen wirksame Kontrollen bezüglich der tatsächlichen Nutzung von Wohnungen als Dauerwohnungen und die Prüfung eines rechtssicheren bundesweiten Mietendeckel, der auch in Schleswig-Holstein gilt.

8. Die Gemeinde muss ihren Einfluss mit Nachdruck zur Geltung bringen. Wir müssen engagiert nach Lösungen suchen, um das Heft wieder in die eigene Hand zu bekommen. Was auf Kommunalebene nicht geht, muss auf Landes- oder Bundesebene geändert werden. Dafür setzen wir Grünen uns ein.

Margot Böhm
24.05.2021